Die Praxis der Achtsamkeit

Die Schwierigkeit in der Einfachheit


Achtsamkeit ist das erste der sieben «Erleuchtungsglieder» ( bojjhanga), d.h. jener Eigenschaften, die Wachstumsbedingungen wie auch wesentliche Bestandteile der Erleuchtung ( bodhi) sind. Die Achtsamkeit steht an erster Stelle, nicht nur in der formalen Reihenfolge, sondern auch weil ihre Ausbildung grundlegend ist für die volle Entfaltung der anderen sechs Eigenschaften, und
besonders für das zweite Erleuchtungsglied, «Wirklichkeitsergründung». Denn ohne eine ausgebildete Achtsamkeit ist eine Erkenntnis der Wirklichkeit, d.i. der körperlichen und geistigen Vorgänge, nicht möglich. Die Wahrheit von der Leidensaufhebung wird hier gleichfalls auf die Einzelerfahrung zurückgeführt. Man kann die zeitweise Aufhebung des Begehrens erfahren, wenn man sein Entstehen mit Achtsamkeit beobachtet. Denn, wenn Reines Beobachten da ist, hat das Begehren keinen Raum; es kann nicht mit solcher Achtsamkeit gleichzeitig bestehen (Auszug aus "Die buddhistische Satipatthána-Methode" von Nyanaponika)


Erläuterung und Anleitung zur praktischen Durchführung von Satipatthana (Achtsamkeit) im Alltag


Die Schwierigkeit des

Ich weiß, daß ich dies oder jenes tue ...

liegt in der praktischen Umsetzung im täglichen Ablauf wie auch in der Meditation. Die Anwendung dieses einfachen Satzes, den man ununterbrochen anwenden soll, ruft einen großen Gegenspieler hervor. Warum? Mit diesem einfachen Satz wird die Aufmerksamkeit (das Bewußt-Werden) in die automatisierten, angelernten Handlungen und Gewohnheiten hineingezogen, welche aus dem Unterbewußtsein heraus den Lebenslauf und das Schicksal mitbestimmen. 

Der große Gegenspieler ist die "allerkostbarste Persönlichkeit", welche alle Positionen im Wesen besetzt hält. Sie will als das falsches Ich nicht entmachtet werden, sie will sich nicht in die Karten gucken lassen. Sogar Intellektuelle, Wissenschaftler und Professoren scheitern an dieser einfachen Übung, denn die Schwierigkeit liegt im geduldigen, dauerhaften Praktizieren. Auf diese Weise wird das mechanische, unsinnige und unstete Denken schrittweise durch Wissensklarheit ersetzt und das "Durchschauen" (vipassana) wird geboren. Und das macht Freude.

Jenes "Ich weiß, daß ich ..." ist der erste Lichtstrahl des Bewußtseins.

Dieser simple Satz ist der Scheinwerfer in die finsteren Ecken des eigenen Wesens und vertreibt den Schlaf und die Fehlurteile. Damit wird erkannt, warum man was tut und daraufhin kann man eingreifen und all die Auswüchse der Persönlichkeit, inklusive ihrer unbewußt eingefleischten Gewohnheiten, unterbinden und das "Rechte" tun, womit  gleichzeitig die Beobachtungs- und Unterscheidungskraft wächst. Gleichzeitig wird mit dieser Achtsamkeit ein Abstand zwischen Beobachter und dem Beobachtetem hergestellt:

"DA bin ich und DORT ist das Geschehen."

So wird eine Identifikation mit dem Geschehen vermieden (Nicht-Haften). Dieser Abstand bewirkt ein vorsichtiges Herantasten an die Stimulationen der Welt und die Bereitschaft, immer zurückzutreten oder abzulehnen. Das bewahrt einem vor zahlreichen "Dummheiten".

Kaum fängst du mit dieser Selbstbeobachtung an, hast du es nach ein paar Minuten schon wieder vergessen. Dein Ego suggeriert dir "das ist lästig, das ist widerlich, wozu brauch ich das?". Das sollte dir zu denken geben. Erst beharrliches Training bringt Erfolge im Alltag und in der Meditation und es macht Freude feststellen zu können, daß das Wachsein sich steigert. Es beginnt damit, daß man nichts mehr vergißt, es geht dann über in die erleuchtende Umgebungsbeobachtung und im Feststellen vieler Details, das man Genie nennt. Wer sich dauernd selbst-beobachtet ist konzentrierter als der normale Mensch und unterliegt nicht mehr seinem Willen. Wer dies übt, der erwirbt bald eine heitere Gelassenheit und ein inneres Lächeln. Damit hat die Reise der Wissensklarheit erst begonnen. Wisse, das Wachsein bestimmt deine Einordnung in die Wesenshierarchien.

Wie beginnt man?

Man beginnt hier und jetzt, ein Ortswechsel ist unnötig. Man soll alleine Zuhause* beharrlich bei Beginn und bei Abschluß jeder Handlung sich vorsagen und bewußt sein, daß ich dies oder jenes tue und nichts anderes. Jede kleinste Handlung oder Bewegung soll verfolgt werden, solange bis immer mehr Details erkannt werden. Man will nicht glauben, was man z.B. aus einem Kauvorgang herausholen kann. Wenn man dies "Ich weiß, daß" bei einer Handlung vergißt, dann wiederhole sie "bewußt" - falls möglich. Mit der Zeit wird diese Achtsamkeit immer öfter im Tagesverlauf präsent sein und eine angenehme Ruhe und Sicherheit macht sich breit. Das ist die vielgepriesene Entschleunigung und wirkt auch in einer hektischen Umgebung. In Wirklichkeit ist es das Beobachtende, das hinter allem steckt. So tritt man in den Strom des Dharma ein.

Was wird ACHTSAM beobachtet?

Man beginnt bei den Körperhandlungen und Gewohnheiten, beim Reden und Antworten, dann beobachtet man die Stimmung und ihre Schwankungen, dann die Sinneswahrnehmungen mit ihren Reflexen und Beuteschematas, dann der Beobachtung des Atmens, dann widmet sich die Achtsamkeit dem mechanischen Denken und ihrer unsinnigen Inhalte, geht dann über zu den aufsteigenden Impulsen, die dich steuern und hinter denen sich der Trieb tief unten im Wesen versteckt und die Ursache des eigenen Samsaro ist. Es gibt keine fixe Reihenfolge oder Bündelung in den Achtsamkeitsobjekten, sie ergibt sich aus der Situation und dem Grad der Wachheit. Die Achtsamkeit führt als Lichtstrahl zu "Lücken", wo das Ego noch nicht reagieren konnte, daraufhin kann man Eingreifen oder Korrigieren. Diese "Lücken" als Momente der Wissensklarheit werden immer mehr und sind bereits Kostproben des Dharmakaya. Dies alles führt zwangsläufig zu einer Wesensverbesserung und von einer Versenkung zur nächsten und ein weiteres wichtiges Ergebnis ist die Entdeckung der Impulsfolgen des eigenen Karmas. Nebenbei wird die Nutzung des Gehirns von 4% auf mehr erweitert, der vordere Gehirnlappen und das Cerebellum gereinigt. Eigentlich darf es einem in diesem Praktizieren nie langweilig werden. Ab einer gewissen Schärfe der Selbstbeobachtung (Selbst-Durchdringung) dringt die Lebenskraft in den zentralen Nerv (Sushumna) ein und bewegt sich nach oben, was jedes Mal das Bewußt-Werden um eine Dimension erweitert.

Aber die Menschen schätzen nicht, was kostenlos und einfach ist und die Dharma-Verbreiter "übersehen" absichtlich das Kernstück der Lehre Buddhas. Hat der "Anwender" die Methodik erst einmal begriffen und wendet sie an, dann entsteht "Unabhängigkeit", was wiederum die Sponsoren reduziert. Jener hat dann die Freude und ein höheres Wachsein durch die Praxis gefunden, was die exoterischen Spektakel (Lamrims, Ngöndros) bald überflüssig macht.

Das konsequente Machen ist das Problem. 

Mit aller Macht will dein Ego das Eindringen des "bewußten Lichts" verhindern und dich zum Aufgeben bewegen und wartet auf "schwache" Momente. Also muß etwas dran sein an der Lehre Buddhas. Satipatthana funktioniert auch im Bardo und die Praxis sieht niemand, sie ist daher immer und überall anwendbar.

Diese Praxis ist allumfassend und bringt bald Früchte.

Hier das Summary der Wirkungen.


Maha Satipatthana Sutra
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Satipatthana Lehrrede PDF
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* Natürlich ohne audivisuellem Sinneskonsum wie Musik, Radio, TV etc.