BUDDHISMUS  im  ALTER

Was kann man noch tun?


Dieses Kapitel widmet sich Menschen, die vom Berufsleben in den Ruhestand übertreten und somit in das letzte Drittel oder Viertel ihres Lebenslaufes eintreten, also zwischen dem Jetzt und dem Tod und dem Übergang in eine neue Existenz. Es gibt eine wichtige Erkenntnis aus dem Bardo Thödol (Tibetisches Totenbuch und hier Kapitel "Samsaro") und die lautet:

Für den Charakter der nächsten Inkarnation gilt das Denken im letzten Augenblick des Lebens.

Der Mensch soll sich vergegenwärtigen, wenn er geistig unvorbereitet stirbt und dabei bewußtlos ist, was bei fast allen zutrifft, wird der karmische Wind seine Seele (Komplex seiner subtilen und transzendenten Komponenten) ohne jeglicher Kontrollmöglichkeit in eine nächste Inkarnation zwingen. Dieser Vorgang wird von den Mystiker verglichen als eine wilde Reise in einer Kutsche mit bewußtlosem Passagier, bei der die Pferde erst am karmisch vorbestimmten Punkt anhalten. Ob er dann als Mensch oder Tier wiedergeboren wird, weiß er erst wenn er wieder aufwacht. Daher macht es großen Sinn, sein Karma und sich selbt durch Bemühung zu verbessern. Falls ein Mensch den Sipa-Bardo (siehe Bardo Thödol) erlebt, wird ihn sein bislang unbeherrschter Geschmacksinn täuschen. Sollte er bereits innerlich in der Sphäre der Engel oder Götter leben, so wird er im Tod "abgeholt und in der neuen Welt willkommen geheißen".

Menschen, die bereits über längere Zeit die Anweisungen Buddhas oder eines anderen geistigen Systems befolgt haben und es noch weiterhin tun, braucht man nicht viel zu sagen, außer sie sollen die verbleibende Zeit für eine Intensivierung ihrer Bemühungen nutzen und keine "Dummheiten" machen. Das betrifft auch jene, die entweder Neu-Einsteiger sind oder längere Unterbrechungen zugelassen haben und nun wieder neu aufsetzen.

Was ist mit der Intensivierung gemeint? Das ist die permanent geübte Achtsamkeit (Satipatthana) und eine weiterführende Meditation oder Konzentration. Primär sollen folgende Faktoren aufgelöst und mit der Achtsamkeit durchdrungen werden:

a) festgefahrene Verhaltensweisen,
b) die Versklavung durch die Sinne und
c) das Nicht-Haften

Das Haften (Anhangen) am materialistischen Objekten und Werten und an Lebewesen (Verwandte, Haustiere etc.) aber auch an Erinnerungen ist der Hauptgrund, warum man sofort wieder in eine neue Existenz hineingezogen wird (siehe Kapitel "Nicht-Haften" und "Gefühle und Tastsinn"). Das reflexive Verhalten aufgrund der Sinneswahrnehmungen bewirkt, daß die Ruheständler ohne geistigem Training ihre verbleibende Lebenszeit für die Befriedigung langgehegter Wünsche nutzen, ihre innere Leere (Langeweile) mit Rauschmitteln übertünchen oder sich passivem Konsum hingeben. Sie füllen ihre Restzeit mit Reisen, Hobbies oder Anschaffungen, die nicht lebensnotwendig sind - also für sich selbst und nicht für andere. Auf diese Weise "verbrauchen" sie ihr bisheriges gutes Karma und so müssen sie im neuen Leben wieder von vorne anfangen, um den Verlust durch neue Verdienste auszugleichen.

Im Ruhestand hat man eigentlich viel Zeit, sich einer Neuausrichtung zu widmen. Es dürfte da keine Ausreden geben. Die größten Gefahren für das Alter sind der köperliche und mental-geistige Verfall wie steifer Rücken, steife Beine, schlurfender Gang, ständig offener Mund, Atemnot bei Anstrengung oder schnellem Gehen, Kugelbauch, Organversagen, Demenz, Gelenk- und/oder Kreislaufprobleme, Vergeßlichkeit, Pessimismus, Alzheimer, Muskelschwund, Faltenbildung der Haut, Nachlassen der Ausdauerbelastung. körperliche Steifheit, Kreislaufprobleme, Abbau der Libido, Verschwinden der Frische aus den Zellen usw. - und alles wird langsam. Es ist keineswegs egal, wie man stirbt, wie so manche Hämer behaupten. Daher ist es erstrebenswert, den verbleibenden Rest des eigenen Daseins so zu gestalten, daß man den körperlichen Abbau verlangsamt und den mental-geistigen Verfall nicht nur stoppt sondern das körperunabhängige Wachsein steigert. Und dies ist möglich. Dies bringt nicht nur Daseinsfreude und Lebenssinn zurück, sondern ist hilfreich für eine günstige neue Existenz in Wohlstand mit der dazu passenden Intelligenz.

All das wird verursacht durch die lebenslange Idenfikation mit Ansichten, Werten und Objekten der materiellen Welt, denn bei diesen ist der Verfall (Tod) und Unbeständigkeit Naturgesetz. Meist einher geht ein Absinken der Wachheit und der mentalen Lebhaftigkeit. Das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben führt meist zu einer Umorientierung der Interessen in Richtung Bequemlichkeit, die Nahrungsaufnahme wird zentaler Lebensinhalt (Libidoersatz), zum Schlafen tagsüber, Zementierung von Gewohnheiten (Atavismen) und Gleichförmigkeit von Denkmustern - bei dem einen früher, bei anderen später. Die Einschränkung körperlicher Agilität führt oft zu einer mentalen Langeweile und sozialer Reduktion, was dann manche mit Rauschmitteln kompensieren. Durch Monotonie im Tagesablauf wird der kritische Hausverstand abgebaut und man wird buchstäblich dumm, ohne es zu merken, weil der Alltag wie automatisch abläuft. Das unkritisch anhaltende Konsumieren von Sinneswahrnehmungen durch Auge und Ohr kann zu Adipositas und unbewußter Freßgier führen. Ein Wiederkauen von Erlebtem und dem Verweilen darin führt zu einer regressiven Evolution: die Gegenwart wird nicht bewußt erlebt, man ist ein Wiederkäuer - die Gestaltung der Zukunft wird verpaßt. Unkritisches Dauer-Fernsehen oder zielloses Handy-Wischen müllt den Menschen zu und kann zu irreparabler Demenz führen, der gleiche Effekt tritt auf beim Dauersitzen auf einer Bank, am Tisch im Café oder Wirtshaus, am Fenster oder Balkon etc., wo man den Sinnen und dem stumpfen Denken die Kontrolle überläßt und zu einem willfährigen Opfer externer Manipulation wird. Der Wunsch oder die Bereitschaft Neues zu lernen (z.B. Sprache, Computerwissen, Fakten-Check, Lesen des Kleingedruckten usw.) erlahmt. So übt man Tamas bzw. arbeitet an der eigenen Selbstvernichtung.

Im Alterungsprozess findet eine langsame Abnahme des inneren Zellstubtrats statt, d.h. man kann den Körper nicht mehr auffrischen oder vergeistigen. Denn damit die Kräfte der Konzentration zur Transformation des Körpers wirken können, ist ein gewisses Mindest-Potential an frischem Zellsubtrat Voraussetzung. Dazu wäre eine Wiederbelebung der Thymus-Funktion notwendig, welche nur ein spiritueller Meister initiieren kann und dazu braucht er gute Gründe. Was aber bewirkt werden kann, ist eine Verlangsamung des Alterungsprozesses durch Steigerung des Wachseins und Änderung der Gefühlswelt hin zu einer dauerhaften ursachlosen Freude, welche die materialistische Vergänglichkeit exkludiert. Durch Selbstbeobachtung stellt man ein Absinken oder Umkippen der Freude fest, die sofort repariert werden soll. Die Asana Kopfstand (Sirsasana) würde die Umkehrung des wichtigen Vayus Apana in Richtung Verjüngung bewirken, aber das bedingt Regelmäßigkeit und die meisten bringen keinen Kopfstand zustande oder ertragen ihn nicht mehr. Alternativ mit reduzierter Wirkung gibt es die Übung Delfin und Uttanasana. Hinsichtlich der körperlichen Bewegungstherapien bietet die Welt genug, Hauptsache man tut etwas - alleine oder in einer Gruppe. Eine weitere Gefahr im Alter ist der sich schleichend entwickelnde Pessimismus, der ja um die Bemühung zur ursachlosen Freude eliminiert wird.  Der offene Mund bei vielen alten Menschen deutet auf Probleme des richtigen Atmens hin und ist verursacht durch Verschleimung, verstopfte Nadis und körperliche Steifheit. Dies kann durch regelmäßiges Kapalabhati (heftiges, stoßweises Ein- und Ausatmen durch die Nase) beseitigt werden. Der ständig offene Mund, auch bei jungen Menschen, deutet darauf hin, daß diese Person unter der Herrschaft ihrer Sinne und Atavismen steht; also reflexiv ist und die korrigierende Selbstbeobachtung nicht existiert - trotzdem können sie aufgrund ihres Karmas im äußeren Leben erfolgreich sein.


Empfehlung von psychisch-geistigen Übungen im Alter:

Selbstbeobachtung (besoners Gewohnheiten und Reflexivität)
lebhafte Umgebungsbeobachtung, wenig 
passiver Konsum
Viel Lachen und fröhliche, freudige Stimmung
Denken im Guten und viel Metta
Unterdrücken des Verharrens im Erlebten
Meditation (3 x vor dem Essen)


Menschen, die ihre körperliche und mentale Gesundheit bewahrt haben und meist über genügend finanzielle Mittel verfügen, haben Möglichkeiten, ihr Leben interessant zu gestalten oder Dinge zu kaufen, die sie schon immer haben wollten. Dadurch entsteht bei Ihnen kein Interesse an geistigen Werten. So entgeht ihnen dabei, daß die Beschäftigung der Sinne mit neuen Eindrücken oder  zusätzlicher (unnötiger) Anschaffungen aus Langeweile und innerer Leerheit nur ein Mittel ist, um die Zeit durch "aufregende" Momente zwischen dem Jetzt und dem Grab zu überbrücken. Sie können nicht feststellen, daß ihr Ego (das allerkostbarste Ich) sie davon abhält, ihre wahre Bestimmung und innere Natur zu erforschen. Bei vielen wird die Wohnung oder das Haus zu einem Lagerort (Museum) von unnötigem Gegenständen (Gerümpel), alte Frauen sammeln gerne Krimskrams. Sie alle bedenken nicht, daß bei ihrem Tod die Erben (fast) alles entsorgen. Viele alte Menschen leben nur "draußen", oft wird ihr Dasein bestimmt durch viel Sitzen, Sinnesgenuß durch kritikloses Schauen und durch Essen und Trinken, Schlafen und im Austausch gleicher Ansichten ohne Faktencheck (Stammtisch-Syndrom). Sie sind fest überzeugt, "draußen" ist es besser. Wenn sie verreisen und zurückkommen, haben sie zwar einen Zuwachs an Erlebnissen und Erinnerungen aber keine neue Erkenntnisse über die Vergänglichkeit. Andere wiederum schaffen sich einen Hund an, der idealerweise für Bewegung sorgt. Leider ist vielen älteren Menschen eine geistige Entwicklung widerlich, zu "anstrengend" oder sie sind durch festgefahrene Ansichten so blockiert, daß alleine schon die Erwähnung der Reinkarnation eine harte Ablehnung bis zur Feindschaft hervorruft. Durch das fehlende Wissen über karmische Gesetzmäßigkeiten, dem Daseinskreislauf und über die Prozesse im Tod finden sie keinen Zugang zu praktischen Anleitungen einer geistigen Entwicklung - das ist wahrlich schade.

Im Augenblick des Todes verdampft das Tagesbewußtsein zusammen mit dem angelernte Wissen. Übrig für die Reise durch das Samsaro bleibt das Unterbewußtsein, es alleine bestimmt die neue Existenz. Was bleibt, sind die erworbenen Fähigkeiten. Der Mensch muß sich in der neue Inkarnation alles wieder neu erarbeiten.