Über das Bewußtsein
Das Allerkostbarste, der Vajra (Diamant), im Menschen.
Der Durchschnittsmensch lebt innerhalb einer unsichtbaren Umgrenzung, wie zwischen zwar nicht greifbaren, aber dennoch realen Mauern.
Das äußert sich in seiner Unfähigkeit, etwas in sein Denkprinzip und Bewußtsein zu integrieren, das ihm nicht schon bei seiner Geburt gegeben wurde. Das gilt selbst dann noch, wenn wir die Vermehrung seiner Kenntnisse durch Bildung oder durch das Leben berücksichtigen. Denn auch diese Kenntnisse stammen nur aus jenem Umkreis, der mit menschlichem Denken und der Sinneswahrnehmungen von Phänomena im sicht und tastbaren Bereich erreichbar ist; deshalb fühlen die Menschen auch ihre Begrenztheit, ihre Unwissenheit, die sie gerne überwinden würden. Sie besitzen kein antizipatives Erkenntnisvermögen und müssen die heranrollenden Veränderungsprozesse hinnehmen. Diese Begrenztheit oder Unwissenheit kann nur dadurch überwunden werden, indem die Mauern jenes Bereiches, der dem Denkprinzip gegeben wurde, niedergerissen werden.
Dieses Niederreißen ist gerade die grundlegende Aufgabe von wahren geistigen Lehren. Von diesen wird erwartet, daß diese dem Menschen helfen, diese unsichtbare Mauern, die das Bewußtsein begrenzen, zu überwinden; deshalb sind die Lehren zur geistigen Entwicklung unüblich, weil sie eine ungewohnten Ausrichtung haben.
Solange also der Mensch noch das Bedürfnis empfindet, sich ständig von der Welt mit etwas trösten lassen zu müssen, ist er ihr unglücklicher (und geistig unwissender) Sklave.
Genauso wie sich ein Mensch in einem schönen neuen Kleid oder ein König mit der königlichen Krone auf dem Kopf bewegt: langsam, vorsichtig, bewusst. Ähnlich handelt ein Mensch bei sich, der sein Denkprinzip sich in der Weise mit seinem Denken befassen läßt. Wie die Flamme nicht nur Dinge aber auch sich selbst sengt, so denkt das Denkprinzip nicht nur Dinge, sondern auch sich selbst. Solange der Mensch nicht diese letzte Verinnerlichung erreicht hat, diese Umkehr zu sich selbst, kann er nicht sagen, daß er aus seinem Denken nicht das gemacht hat, was er aus ihm machen kann und wozu er als denkender Mensch verpflichtet ist.
Das Bewußtsein ist die Blüte der Menschheit. Solange es aber bloß bei den Dingen und nicht bei sich selbst verweilt, ist es nicht das, was es sein soll: ein Selbst-Bewußt-Werden in jedem Augenblick. Und so lange kann man nicht erwarten, daß sich die Handlungsweise der Menschen, des Einzelnen wie auch der Gesamtheit, all zu sehr von der Handlungsweise der Tiere unterscheiden wird.
Was den Menschen hauptsächlich vom Tier unterscheidet, ist nicht die Größe und Kunst seiner Werke, die Zweckmäßigkeit seine Einrichtungen, die Feinheit seiner Begriffe, die Gelehrsamkeit seiner Auffassung, nicht die Fülle seiner seelischen und körperlichen Lebensbedürfnisse sondern die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis, die Fähigkeit des Bei-Sich-Selbst-Verweilens und die der Selbstbeherrschung beim Handeln, beim Sprechen und beim Denken.

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